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Interview: Marita Frank, Regionalagentur Emscher-Lippe zur Teilzeitberufsausbildung

„Es ist immer ein Erfolg, jungen Leuten eine Ausbildung zu verschaffen“

Marita Frank, eine der beiden Leiterinnen der Regionalagentur Emscher-Lippe, spricht über die ausgewiesenen Qualifikationen, die Bewerber für eine
Teilzeitausbildung mitbringen. Sie erklärt auch, weshalb sich immer noch
viele Arbeitgeber schwer tun, dieses Programm anzubieten. Mit 18 weiteren
Partnern in der Region setzt die Regionalagentur auf Aufklären – und
Klinkenputzen.

Ich habe eine kurze Umfrage unter Freunden gemacht: Nur die wenigsten
wissen, dass es eine Teilzeitausbildung gibt. Muss ich mir neue Freunde
suchen oder liegt es am mangelnden Bekanntheitsgrad dieses
Ausbildungswegs?

Marita Frank: Trösten Sie sich – es geht vielen so. Das ist auch der Grund,
weshalb wir als Bündnis für Teilzeitberufsausbildung kürzlich einen Tag der
Teilzeitausbildung organisiert haben. Erklärtes Ziel war und ist es, dieses
Angebot bekannter zu machen: bei Unternehmen, die solche
Ausbildungsplätze anbieten sollen, und bei Jugendlichen, die durch
bestimmte Umstände keine reguläre Ausbildung machen können. Und ich
freue mich, dass ich dieses Gespräch als Gelegenheit nutzen darf, ebenfalls
dafür zu werben.

Wie gehen Sie darüber hinaus vor, um vor allem weitere Unternehmen zu
gewinnen?

Frank: Bundesweit werden viele Anstrengungen unternommen, und auch
wir sind bei uns in der Emscher-Lippe-Region sehr engagiert unterwegs, um
das Netzwerk zu vergrößern. Es sind aber viele kleine Schritte, die wir mit
unseren 18 Partnern, aber auch jeder für sich unternimmt. Auch wenn wir
vom Land und der EU gefördert werden, können wir uns nun einmal keine
große PR-Agentur, die das Thema konstant pusht, erlauben. Das hat schon
was von Klinkenputzen.

In einer Mitteilung des Bündnisses habe ich gelesen, dass Teilzeitausbildung
ein Erfolgsmodell sei. Klingt das angesichts eines Anteils von bundesweit 0,4
Prozent an allen Ausbildungen nicht zu euphorisch?

Frank: Ganz unabhängig von den Zahlen: Ich finde, es ist immer ein Erfolg,
wenn es gelingt, vor allem jungen Menschen eine Ausbildung zu
ermöglichen, die sonst dazu keine Gelegenheit gehabt hätten. Wir wissen ja,
dass es sich überwiegend um alleinerziehende Frauen handelt. Natürlich ist
das keine Zahl, mit der wir uns begnügen wollen. Aber wenn wir
berücksichtigen, dass ein Viertel dieser Ausbildungen in NRW abgeschlossen
werden, sieht es auch für unsere Region dann doch ganz erfreulich aus. Das
liegt auch daran, dass das Landesarbeitsministerium das Programm
„Teilzeitberufsausbildung – Einstieg begleiten – Perspektiven öffnen“ intensiv
unterstützt, und das seit dessen Beginn vor zwölf Jahren. Ich bin auch
zuversichtlich, dass der Zulauf steigen wird.

Woran machen Sie das fest?

Frank: Seit Anfang 2020 sind die Zugangsbeschränkungen zur
Teilzeitausbildung gelockert. Während sie sich zuvor ausschließlich an junge
Eltern oder Menschen mit Familienpflichten richtete und dies auch
nachgewiesen werden musste, steht das Programm nun allen offen. Das
können sogar auch Leistungssportler sein, die sich auf dem Weg ein sicheres
Standbein verschaffen wollen. Es können aber auch Menschen sein, die eben
keinen kompletten Arbeitstag bewältigen können – meist aus
gesundheitlichen Gründen. Offen ist das Programm auch für Geflüchtete, die
zusätzlich einen Sprachkurs oder einen Nebenjob machen müssen.

Gibt es schon Erfahrungswerte, ob der Zulauf durch die Lockerungen
gestiegen ist?

Frank: Dafür ist es noch zu früh. Unglücklicherweise fiel die Lockerung ja
ausgerechnet in die Phase, als die Corona-Pandemie ausbrach. Ich hoffe, dass
wir im nächsten Jahr erste Ergebnisse sehen können.

Was unterscheidet denn eine Ausbildung in Teilzeit konkret von einer
herkömmlichen?

Frank: Der Unterschied besteht vor allem in der Flexibilität. Arbeitgeber und
Auszubildender haben alle Freiheiten zu schauen und zu vereinbaren,
welchen Rahmen sie wählen. Das betrifft auch, zu welchen Zeiträumen sie
ihre 20 Stunden pro Woche im Unternehmen verbringen – das sind 75
Prozent der üblichen Stundenzahl. Nicht verhandelbar ist allerdings der
Besuch der Berufsschule zu 100 Prozent.

Wie lange dauert die Ausbildung?

Frank: Auch drei Jahre wie bei einer herkömmlichen Ausbildung. Wobei auch
das durch neue gesetzliche Bestimmungen gelockert beziehungsweise
verlängert werden soll. Aber da gibt es dann doch größere Vorbehalte. Auch
ich bin der Auffassung, dass die drei Jahre ein Zeitraum sind, der zu schaffen
ist.

Und nach der Ausbildung: Sind Teilzeitauszubildende dann Fachkräfte oder
Handwerker zweiter Klasse?

Frank: Gewiss nicht. Es entstehen ihnen keine Nachteile. Sie erhalten einen
vollwertigen Gesellen- oder Facharbeiterbrief und haben danach dieselben
Chancen auf dem Arbeitsmarkt wie alle anderen auch.

Und dennoch müssen Sie bei Arbeitgebern nach wie vor dicke Bretter
bohren. Warum ist das so?

Frank: Es gibt leider die Vorbehalte, dass eine alleinerziehende Mutter
häufiger ausfällt als jemand, der einen Partner hat. Aber auch da werden
Kinder mal krank, und einer muss sich dann nun mal um sie kümmern.
Dieselbe Sorge besteht auch bei jemandem, der einen Angehörigen pflegt –
natürlich können auch dabei unvorhersehbare Dinge geschehen. Aber so ist
das Leben. Ich sehe es genau anders herum: Arbeitgeber erhalten
Auszubildende, die vielleicht mehr mitbringen als andere, die eine reguläre
Ausbildung machen.

Inwiefern?

Frank: Weil Auszubildende in Teilzeit bereits viel Verantwortung innerhalb
der Familie übernehmen, stehen sie mit beiden Beinen im Leben.
Verantwortungsbewusstsein, Organisationstalent, Zuverlässigkeit und
Motivation zeichnen die Teilzeitauszubildenden aus. Ich sehe das als
klassische Win-Win-Situation: Auch für Arbeitgeber, die Schwierigkeiten
haben, geeignete Fachkräfte zu finden, hat eine Teilzeitausbildung großes Potenzial. Und wenn
es dann doch einmal Probleme geben sollte, stehen die Träger des
Programms immer helfend zur Verfügung.

Könnten finanzielle Anreize helfen, damit mehr Arbeitgeber bereit wären,
Teilzeitausbildungsplätze anzubieten?

Frank: Die gibt es nicht, und ich hielte auch nichts davon. Ein solches
Programm kann meines Erachtens nur dann gut funktionieren, wenn alle
Beteiligten aus Überzeugung dabei sind.

Ich könnte mir vorstellen, dass es einfacher ist, Stadtverwaltungen als
Unternehmen zu überzeugen.

Frank: Zu einem bestimmten Teil ist dies so. Das hat aber weniger mit
Überzeugung als damit zu tun, dass in kommunalen Betrieben flexible
Arbeitsmodelle schon länger angeboten werden – und mitunter vielleicht
auch leichter umzusetzen sind. Ich weiß auch, dass die
Gleichstellungsbeauftragten in den Stadtverwaltungen das Thema sehr
forcieren.

Was würden Sie gerne im nächsten Jahr beim Tag der Teilzeitausbildung
sagen können?

Frank: Ich würde am liebsten sagen können, dass es durch unsere
gemeinsamen Anstrengungen gelungen ist, sehr viele Arbeitgeber als
Ausbildungsbetriebe zu gewinnen, die Teilzeitausbildung ohne Vorbehalte in
ihr Portfolio aufgenommen haben und mit dem Thema offen umgehen. Sie
bewirken Gutes damit: Denn sie ermöglichen jungen Menschen eine
Perspektive – solchen, die gerne eine berufliche Ausbildung absolvieren
möchten, diese aber nicht mit ihrem Alltag vereinen können.

Das wünsche ich Ihnen!

19 Partnerinnen und Partner
Das Bündnis für Teilzeitberufsausbildung in der Emscher-Lippe-Region macht
sich für die Teilzeitausbildung stark. Im Bündnis, das die Regionalagentur
Emscher-Lippe koordiniert, engagieren sich 19 Partnerinnen und Partner,
darunter das
Bildungszentrum des Handels, RE/init e.V., die IHK Nord Westfalen, die
Handwerkskammer Münster, die Arbeitsagenturen sowie die Jobcenter
Gelsenkirchen und Kreis Recklinghausen. Sie alle setzen sich dafür ein, dass
die Ausbildungsform bekannter und von Unternehmen sowie Auszubildenden
häufiger in Anspruch genommen wird.

Hier das Interview downloaden