Zirkuläre Wertschöpfung: Nichts darf verloren gehen

Region will neue Wege im Recycling gehen und verspricht sich Wachstum und Arbeitsplätze

EMSCHER-LIPPE-REGION. Egal, ob es sich um ein technisches Gerät oder um einen Teppich handelt: Am Ende ihrer Lebensdauer sollen alle Produkte so wiederverwertet werden können, dass kein Gramm Müll zurückbleibt; und dass aus einem Fernseher wieder ein Fernseher wird und aus einem Teppich ein qualitativ gleichwertiger Teppich. Die Emscher-Lippe-Region ist von der Landesregierung ausgewählt worden, an dieser Vision mitzuarbeiten. „Zirkuläre Wertschöpfung“ lautet das Zukunftsthema.

Etwas läuft falsch auf diesem Planeten, sagt Lars Baumgürtel. Seine Gesprächspartner bringt der Gelsenkirchener Unternehmer mit folgendem Vergleich zum Nachdenken: Die Biomasse der Insekten sei wesentlich größer als die der Menschen. „Insekten aber bereiten der Erde keine Probleme“, stellt er fest. Der Mensch aber schon. Weil er Ressourcen abschöpft, Gewässer und Luft verschmutzt, ganze Ökosysteme zerstört.

Branche zählt 2 500 Beschäftigte

In der Natur funktionieren die biologischen Kreisläufe perfekt. Nichts geht verloren, alles wird wiederverwertet. „Das müssen wir auch bei den technischen Kreisläufen hinbekommen“, betont Lars Baumgürtel, Geschäftsführender Gesellschafter von Voigt & Schweitzer (ZINQ), einem Unternehmen, das sich auf die Oberflächenveredelung von Stahl durch Feuerverzinken spezialisiert hat – und das es für sich geschafft hat, den Stoffkreislauf zu schließen. Es gibt bei ZINQ im Herstellungsprozess und am Produkt selbst keine Stoffe, die nicht wiederverwertet werden können. Drei Jahre hat das Unternehmen für die Umstellung gebraucht und in dieser Zeit mehr als 200 Stoffe untersucht. Der Lohn ist eine Zertifizierung nach dem „Cradle-to-Cradle“-Standard.

Im Ruhrgebiet, speziell im Vest, existieren zahlreiche Unternehmen, deren Geschäftsmodell das  Recycling ist. Allein beim WFZruhr, einer Initiative von öffentlichen und privaten Unternehmen der Kreislaufwirtschaft, sind aktuell 106 Mitglieder gelistet. Im Kreis Recklinghausen finden nach Angaben der Industrie- und Handelskammer Nord Westfalen rund 2 500 Beschäftigte in dieser Branche einen Arbeitsplatz. Ein Schwerpunkt ist der Industriepark Dorsten/Marl. Dort werden zum Beispiel bei der Genan GmbH Altreifen in ihre ursprünglichen Einzelteile (Gummi, Stahl und Textilien) zerlegt. Bei der Firma NQR wird Quecksilber u. a. aus Leuchtstoffröhren zurückgewonnen und die ReFat GmbH macht aus Fettabfällen wieder hochwertige Industriefette.

Unternehmen sollen Kreisläufe schließen

NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) ist überzeugt davon, dass in der Emscher-Lippe-Region im Bereich der Kreislaufwirtschaft noch deutlich mehr auf die Beine gestellt werden kann, dass hier ein Innovationsschub möglich ist, der „erheblich“ zu Wachstum und Beschäftigung beitragen könne. Die Landesregierung unterstützt deshalb die regionale Wirtschaftsförderungsgesellschaft WiN Emscher-Lippe mit 900 000 Euro. Die WiN hat nun die Aufgabe, das Thema zirkuläre Wertschöpfung voranzutreiben. Dr. Klaus Rammert-Bentlage ist bei der WiN für das Modellprojekt zuständig. Es trägt den Titel „cirC2ess“, der die Begriffe Kreis (circle) und Erfolg (success) verbindet. „Die Idee der ,zirkulären Wirtschaft‘ ist es, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen dafür zu gewinnen, Stoffkreisläufe innerhalb der Produktion zu schließen“, sagt Rammert-Bentlage. So wie es die Firma ZINQ in Gelsenkirchen vorgemacht hat. Ziel sei ein hundertprozentiges „Upcycling“, was nichts anderes bedeutet, als dass die Unternehmen aus alten Produkten neue Produkte gewinnen, ohne dass es zu einem Qualitätsverlust kommt. Dafür, sagt Klaus Rammert-Bentlage von der WiN, müssten teilweise auch neue Werkstoffe entwickelt werden. Deshalb seien ebenfalls die Hochschulen mit im Boot. Heute sieht die Realität in der Kreislaufwirtschaft häufig so aus, dass bei der Wiederverwertung von Stoffen, etwa von Papier oder Plastikmüll, sich das neue Produkt qualitativ verschlechtert („Downcycling“). Am Ende taugt es dann nur noch zur Energiegewinnung in der Müllverbrennungsanlage.

Quelle: Artikel von Michael Wallkötter in der Recklinghäuser Zeitung vom 02.08.2016

 

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